Akrobatik-Wiki
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Hinweis Verletzungsgefahren

Hebefiguren, Anleitung und Erläuterung zur "Mechanik"[]

Einleitung[]

Immer wieder wird behauptet, dass akrobatische Hebefiguren nur mit Kraft erfolgen. Beobachtet man jedoch erfahrene Akrobaten, so stellt man schnell fest, dass die Kombination massive Unterperson mit sehr leichter Oberperson keineswegs der Standard ist. Vielmehr ist die übliche Methode, im Training mit oft sehr unterschiedlichen Partnern zu arbeiten. Die Kombination mit verschieden schweren Oberpersonen bei diesen Hebe-Übungen gibt einen Hinweis auf die zugrundeliegende, für viele ähnliche Figuren verwendbare Technik.

Bereits bei dem sehr einfachen Tempo-Aufgang zu der Anfänger-Figur "Stuhl" (Stehen auf den Oberschenkeln) zeigt sich der Unterschied zwischen sauberer Technik und "Hinpfuschen". Die Technik die hier aus der Quälerei des "irgendwie Rauf-Hopsens", eine elegante Figur werden läßt, ist identisch mit den Methoden für die wirklich schwierigen Hebefiguren. Daher ist es sinnvoll, bereits als Anfänger mit den Einüben der Hebetechnik zu beginnen.

Grundübung[]
  1. Die Unterperson steht hinter der Oberperson und fasst die Hüften der Oberperson. Die Oberperson legt ihre Hände auf die Hände der Unterperson, um ein Verrutschen der Hände zu verhindern. Die Oberperson darf die Hände der Unterperson allerdings während der gesamten Übung keinesfalls wegschieben.
  2. Die Unterperson steht breitbeinig und beugt die Knie soweit (der Winkel bleibt aber deutlich größer als 90°), dass die Schultern der Oberperson sich oberhalb der Schultern der Unterperson befinden.
  3. Die Oberperson springt nun, nachdem die Unterperson mit einem Zwicken das Signal gegeben hat, einfach senkrecht nach oben und landet danach ebenso wieder auf dem Boden.
  4. Während des Sprunges der Oberperson streckt sich die Unterperson (Details hierzu siehe folgenden Text). Die Oberperson sollte die gesamte Zeit, inklusive Landung bis zum sicheren Stand, gehalten werden (Hilfestellung).
Beobachtungen[]

Die Sprunghöhen, welche die normalen Akrobatik-Oberpersonen aus dem Stand erreichen, sind leider meistens überschaubar. Ein Training mit Sportlern aus sprungintensiven Sportarten (z.B. Leichtathletik, Volleyball, etc.) liefert hier sehr überraschende Effekte! Allerdings reichen auch diese Sprunghöhen alleine nicht für gute Figuren aus.

Beobachtet man die unterschiedlichen Anstrengungen der Unterpersonen, so fällt es auf, dass ein großer Einsatz oft mit geringem Erfolg, ein scheinbar müheloses Agieren aber mit dem Erreichen der vollen Höhe zusammenfällt. Damit können wir Krafttraining zuerst einmal als alleinige Lösung streichen.

Besonders "schön" ausgeführte Figuren erreichen auch immer die gewünschte, vollständige Höhe. Andererseits lassen sich Übungen beobachten, die unharmoisch beginnen und nur bescheidene Höhen erreichen. Häufig versuchen Oberpersonen durch extreme Anstrengungen beim Absprung möglichst viel Schwung zu der Figur beizutragen. Allerdings muss dieser Schwung noch von der Unterperson effektiv aufgenommen und in die eigene Bewegung integriert werden. Diese Koordination wird bei der reinen Konzentration auf möglichst große Kraftentfaltung beim Absprung fast unmöglich. Daher muss unbedingt eine aufeinander abgestimmte Bewegungsharmonie einen Vorrang vor der schieren Sprungkraft erhalten.

Blockierte Mechanik[]

Üblicherweise stehen Anfänger aufrecht hinter der Oberperson und leisten die Ergebnise ihrer Hebefigur ausschließlich mit dem Anwinkeln des Unterarmes. Sobald diese Position erreicht ist kann keine relevante, weitere Höhe mehr gewonnen werden. Die Mechanik dieses Bewegungsablaufes verwendet die gesamte Sprungenergie der Oberperson in das einfachen Anwinkeln der Arme der Unterperson. Die Unterperson kann dann aus dieser Positon und mit diesem Bewegungsablauf keine weitere sinnvolle Höhe beitragen (Reine Kraftspielereien mal ausgenommen, wir wollten hier über Technik reden).

Der Grund für dieses schlechte Ergebnis ist die vollständige Fixierung der Schulterglenke der Unterperson. Üblicherweise werden bei der Erwartung großer Lasten die Gelenke durch Anspannen der Muskeln stabilisiert. Dies ist für viele Situationen ein sinnvoller Weg, allerdings nicht nutzbar für unsere Hebefiguren. Gerade hier muss eine vollständige Streckung der Arme nach oben erfolgen. Die Schultern jedoch gleichzeitig unverkrampft zu bewegen und eine schwere Last zu heben ist eine sehr hohe koordinative Herausforderung. Es ist nicht zu Erwarten, dass derart schwierige Bewegungsabfolgen einfach nebenbei, ohne weitere Anleitung oder immensen Aufwand, erlernt werden können.

Erste Phase: Aktivierung des Schultergelenkes[]

Senkt sich die Unterperson soweit ab (ein tiefes, breites Stehen mit gebeugten Knien), dass sich ihre Schultern knapp unter den Schultern der Oberperson befinden, so ist die relative, bisher erreichbare Höhe bereits der Startpunkt für die weitere Übung. Die Oberperson springt immer gleich und ruhig ab. Ziel muss eine für die Unterperson vorhersagbare Bewegung sein, die es erlaubt den zusätzlichen Schub der Unterperson nahtlos mit dem Sprung zusammen zu bringen.

Jetzt darf die Unterperson sich allerdings nicht aufrichten ! Die Position mit den gebeugten Beinen wird im ersten Abschnitt der gesamten Übung nicht verändert. Dies muss fast immer von Aussen korrigiert werden. Ziel des ersten Abschnittes ist es den Sprung der Oberperson mit einer Bewegung aus den Schultergelenken der Unterperson nach oben zu verlängern. Hier werden natürlich auch durch die vorhandene Kraft Grenzen gesetzt. Insbesondere wenn Frauen als Unterperson arbeiten wollen tritt hier das Problem auf, dass für diese Bewegung oft jegliche Vorübung fehlt und scheinbar die Kraft nicht ausreichen kann. Wird jedoch die Übung stetig fortgesetzt sind hier überraschend gute Ergebnisse möglich, die nicht primär auf Kraftzuwachs beruhen, sondern in einer Verbesserung der ungewohnten Bewegung. Die Optimierung des gemeinsamen "Tempos" im Sinne einer harmonischen Abfolge aus Sprung und Hebeanteil, liefert bereits in diesem Stadium oft überraschende Verbesserungen in der erreichten Höhe.

Diese Übung muss solange regelmäßig wiederholt werden, bis die Unterperson die Arme vollständig nach oben durchstecken kann. Dies kann einige Stunden bis zu einigen Monaten beanspruchen und sollte bis dahin im regelmäßigen Training einen festen Anteil zugeteilt bekommen. Nicht zu vernachlässigen sind die Möglichkeiten von mentalem Training, hier wird die Bewegung nicht real durchgeführt, sondern man versucht immer wieder sich den Ablauf der Übung detailliert und möglichst plastisch vorzustellen. Durch eine regelmäßige Beschäftigung alleine mit der Vorstellung der Bewegungsabfolge, kann eine Verbesserung des Ablaufes und damit der gesamten Übung erreicht werden, ohne das durch die vielen nötigen Wiederholungen die Gelenke und Muskeln überlastet werden.

Zweite Phase: Koordination der Arme und Beine[]

Sobald bei einem Großteil der Übungen, die Streckung der Arme der Unterperson (noch immer in der Startposition -> gebeugte Beine) in dem Bewegungsablauf einen bestimmten Punkt erreicht hat, kann die nächste Phase beginnen. Dieser Punkt läßt sich durch Position der Oberarme der Unterperson bestimmen. Sobald während der Hebung die Ellbogen eine Position deutlich oberhalb der Schultern erreichen, kann langsam mit der Streckung der Beine begonnen werden. Das Durchstrecken der Arme ist ab dieser Position relativ leicht und ohne große Kraft erzielbar.

Jetzt muss der zusätzliche Schwung, den die bisher unbewegten Beine liefern können, bereitgesellt werden. Vergleicht man die Kraft der Arme und Beine so ist leicht einzusehen, dass die Beine ohne weiteres mit der Last zweier Personen, auch ohne zusätzliches Tempo, gestreckt weden können. Werden jetzt die Beine zu schnell gestreckt, so "überholen" sie die Arme, d.h. die Oberperson wird nicht weiter angehoben, sondern die Arme werden gebeugt. Daher muss das Strecken der Beine immer langsamer als das Strecken der Arme erfolgen, so dass diese sich weiterhin nach oben strecken können. Auch hier ist eine Kontrolle von Aussen hilfreich.

Anderer Ansatz: Bewegungsfolge für Oberpersonen[]

Beim Üben, beispielsweise der Figur Oberarmstand, tritt häufig der Effekt ein, dass die Oberperson das nötige Rollen in die Endposition nicht ausführen kann. Hier ist ebenfalls häufig eine Blockade der Schultern zu finden, anstatt der benötigten kraftvollen Streckung dieses Gelenkes. Daher sollten Akrobaten die üblicherweise als Oberpersonen arbeiten und dieses Problem bei sich beobachten, die hier vorgestellte Übungsfolge ebenfalls in ihr Training aufnehmen. Eventuell ist die Ausführung durch fehlende, noch leichtere Partner sehr erschwert, aber bereits die Ansätze der Übung sollten hier Verbesserungen bringen

Philosophische Ergänzung :-)[]

Viele Budo-Sportarten (Tai Chi, AiKiDo, etc.) arbeiten mit der Idee eines Kraftflusses (Ki oder Chi). Auch wenn die Beschreibungen für westlich trainierte Ohren etwas gewöhnungsbedürftig sind, so sind die Methoden und Effekte in einigen Gebieten vergleichbar. D.h. Wenn es mit dem Text oben nicht klappt, kann vielleicht der freundliche Kampfsportler weiterhelfen, aber wahrscheinlich nur derjenige mit einem Schwerpunkt auf der Philosophie seiner Sportart.

Eine Beobachtung bei den Hebe-Übungen unterstreicht die mentale Komponente (Selbsterfüllende Prophezeiung): Wird die Oberperson zusätzlich leicht von einer Hilfestellung mitgehoben, klappt die Figur besser, wie auch nach der reinen Phsyik zu erwarten. Wird jedoch die Kraft beim Unterstützen so gering gewählt, dass sie für die Hilfestellung gerade noch spürbar bleibt, aber von der Leistung her vernachlässigbar wird, wird die Übung ebenfalls erfolgreich absolviert. Eine mögliche Erklärung: Die Unterperson sieht dass ihr geholfen wird, sie erwartet von sich selbst nun ein positives Ergebnis, das Verkrampfen in Erwartung des Versagens wird unterlassen und die Muskulatur kann ohne die bisher selbst erzeugte Einschränkung arbeiten. Selbst wenn der Unterperson der extrem geringe Umfang der Unterstützung bekannt gegeben wird, ist der Effekt wiederholbar.

Bitte Kommentare auf der Diskussionsseite (rechts oben) dieses Artikels ablegen. Probleme und Widersprüche werden als sportliche Herausforderungen gerne angenommen :-)

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